Eros & Thanatos in music


EMP live / visuals (videoscreen) by Karoe Goldt

 

Eros & Thanatos in music

Ottorino Respighi: Il Tramonto

Lyrisches Gedichtepos nach dem Poem von P.B.Shelley

Michael Nyman: Sonnetti Lussuriosi

nach den erotischen Sonnetten von Pietro Aretino

Jürgen Grözinger: Songs of love and desire

European Music Project featuring Maria Rosendorfsky, Gesang

zu Ottorino Respighi: „Il tramonto“

Der italienische Komponist Ottorino Respighi (1879-1936) beherrschte mehrere Sprachen fließend und war ein sehr belesener Mann. Neben klassischer und moderner Weltliteratur enthielt seine Bibliothek philosophische Schriften sowie Abhandlungen über Mythologie, Astrologie und Okkultismus. Sein besonderes Interesse für Lyrik hat sich in einer Vielzahl von Liedern niedergeschlagen, wobei eine Vorliebe für den englischen Romantiker Percy Bysshe Shelley (1792-1822) auffallend ist.

Das Gedicht »The Sunset« – »Il tramonto« handelt von einem Liebespaar, das in der Sommersonne wandert. In dem Bewusstsein, die Sonne eigentlich nie richtig gesehen zu haben, sehnt sich der Mann nach dem nächsten Tag. Aber am anderen Morgen findet ihn seine Geliebte tot auf. Anders als in vielen Werken der romantischen Literatur lässt der Autor sie jedoch nicht mit ihm sterben, sondern sie lebt weiter und versorgt ihren alten Vater. Aber die Sehnsucht nach der Liebe und dem Frieden mit dem Geliebten bleibt.

Die deklamatorisch empfundene Vokallinie des Liedes »Il tramonto« passt sich den Akzenten und Klängen des Textes, einer italienischen Übersetzung des ursprünglich englischen Gedichtes, genau an. Außerdem ließ sich Respighi, wie es generell für sein Schaffen typisch ist, auch hier von außermusikalischen Eindrücken inspirieren. Shelleys Text bietet dafür eine Fülle an Material, sowohl in den Naturbeschreibungen als auch in der Art und Weise, wie die weibliche Hauptfigur portraitiert wird.

Elsa Olivieri Sangiacomo, Respighis Frau und Biographin, schreibt über die besondere Vorliebe des Komponisten für das Kunstlied: »Wer Respighis Lieder kennt, kann behaupten, dass er vieles von ihm kennt, weil sie die Welt repräsentieren, in der er Zuflucht sucht, um ihr die Geheimnisse seines Herzens anzuvertrauen, die er im täglichen Leben verborgen halten muss und wo sein Geist sich frei entfalten kann. Eine Flucht könnte man sagen, die es ihm erlaubt, einem Gemütszustand, einem Gefühl, einer Regung auf nur wenigen Notenseiten Ausdruck zu verleihen.«

zu M.Nyman:  Sonnetti Lussuriosi:

Die Geschichte der erotischen Literatur ist gekennzeichnet durch Verbote und Verfolgung, Geheimbibliotheken, Flüsterpropaganda und Scheiterhaufen. Gleichzeitig hat sie aber auch legendäre Bücher und schillernde Autorengestalten hervorgebracht.

Eine der berühmtesten Geschichten der erotischen Literatur ist die Geschichte eines Buches, das 1525 in Rom gedruckt, verboten und verbrannt wurde, und dennoch seinen Verfassers unsterblich machte: Pietro Aretino.

Bis heute gelten die sechzehn Sonette Pietro Aretinos, „I Modi – Stellungen“, als der Urtext aller modernen Pornografie. Thomas Hettche fügt seiner deutschen Nachdichtung der „Stellungen“ nun ein Essay bei. Darin prophezeit er den Untergang der lustvollen Imagination und damit das Ende der Geschichte der erregenden Literatur.

Die wechselseitige Geschichte des Urtextes der Stellungen beginnt im Vatikan. Dort wird einem Schüler Raphaels die Gestaltung der Sala di Constantino übertragen. Verärgert über die schlechte Bezahlung des Papstes, zeichnet er eines Tages Liebesszenen in eindeutigen Stellungen auf die Wände des heiligen Gemäuers.

Marcantonio Raimondi, dem berühmtesten Kupferstecher seiner Zeit, gefallen diese Zeichnungen so gut, dass er sie abnimmt und drucken lässt. Als diese pornografischen Stiche all zu offen im höheren Klerus kursieren, wird der Handel mit den Modi verboten, ihr Druck mit der Todesstrafe bedroht und Raimondi ins Gefängnis geworfen.

Hier kommt der Dichter Aretino ins Spiel, dem es gelingt, seinen Freund wieder frei zu bekommen. Statt aber die Sache damit auf sich beruhen zu lassen, hat er gleich nach der Freilassung 1524 jede Stellung mit einem „unehrenhaften“ Sonett versehen, in dem er die Liebenden des Bildes zu Wort kommen und ihre Lust beschreiben lässt. Nach der Veröffentlichung werden die Sonette sofort verboten und verbrannt. Aretino wird niedergestochen. Zwar überlebt er das Attentat, aber die Stadt Rom verlässt er für immer.

Die deutsche Nachdichtung der Sonette Pietro Aretinos von Thomas Hettche erschien erstmals 1997. Von den 16 verlorengegangenen Kupferstichen Raimondis wurden vermutlich 14 wiedergefunden. In der jetzigen Neuerscheinung der „Stellungen“ sind Reproduktionen der Kupferstiche neben den Sonetten Aretinos abgedruckt.

Die Sonette Aretinos beschreiben Zustände und Verhältnisse von Liebenden und rufen so eine Vielfalt von Gefühlen und Gedanken hervor. Sie feiern die Vorstellungskraft als den Ort jeder Liebes- und Lustutopie. Damit erfüllen sie die Vorgabe eines pornografischen Textes, der mit der Imagination spielt, indem er sexuelle Wirklichkeit inszeniert und zugleich eingesteht, dass diese Inszenierung imaginär ist. Allein die Sprache erregt die Einbildungskraft des Lesers.

Doch in der heutigen Literatur, so Hettche, scheint eine Art nüchternes, ökonomisches Interesse an der Liebe die Lust zu ersetzen. Pornografie, meint er, sei zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden und in den Medien allgegenwärtig.

Es scheint, als lasse diese Allgegenwart des Sexus keine wirklich erregenden Geheimnisse der Lust mehr zu. Nicht zuletzt die Bücher Michel Houellebecqs und Catherine Millets sind seiner Meinung nach ein Indiz dafür, dass wir gerade das Ende der erregenden Literatur miterleben.

Das früheste Werk und Glanzpunkt der Sammlung ist die einzige bekannte Ausgabe des 16. Jahrhunderts der „Sonetti lussuriosi“ des Pietro Aretino. Die Holzschnitte zeigen explizite „Stellungen“ nach den zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Rom erstellten Zeichnungen von Giulio Romano. Die Originale der Zeichnungen sind verloren, ihre Motive sind aber, dank des Kupferstechers Marcantonio Raimondi, der sie 1524 in Rom vervielfältigte, erhalten geblieben.

Raimondi landete im Gefängnis, doch Aretino, der über gute Beziehungen zu Papst Clemens VII. verfügte, sorgte dafür, daß er freigelassen wurde. Der skandalumwitterte Schriftsteller ließ sich jedoch nicht abhalten und verfaßte sogleich Sonette zu den Zeichnungen Romanos, die 1525 in mehreren, nicht erhaltenen Auflagen erschienen sind. Nun fiel Aretino seinerseits in Ungnade und entging nur knapp der Ermordung durch päpstliche Schergen. Er zog sich ins liberaler gesinnte Venedig zurück, wo er seine erotischen Dichtungen samt Illustrationen abermals veröffentlichte.

Der kleine Band mit vierzehn – von ursprünglich sechzehn – Holzschnitten, der noch drei weitere Texte ähnlichen Kalibers enthält, wurde 1928 vom Sohn des Dirigenten Arturo Toscanini wiederentdeckt und 1978 schon einmal bei Christie’s in New York versteigert. Gérard Nordmann konnte die „wollüstigen Sonette“, die nun auf 250 000 bis 350 000 Euro geschätzt werden, zwei Jahre später vom New Yorker Händler Hans P. Kraus erwerben.